Die einen nannten es Flüchtlingskrise, die anderen Willkommenskultur: Zwei Jahre ist es nun her, seit die Flüchtlingsarbeit der Stadt Wiehl an ihre Grenzen stieß, weil wöchentlich plötzlich ungewohnt viele Flüchtlinge bei uns eintrafen, unter anderem als Folge des Kriegs in Syrien. Damals zeigten die Wiehler Bürgerinnen und Bürger eine enorme Hilfsbereitschaft. Um die Arbeit der vielen freiwilligen Helfer optimal zu bündeln, gründete sich damals die Flüchtlingshilfe Wiehl mit ihren unterschiedlichen Arbeitskreisen unter dem Dach der Stadt Wiehl.
Heute ist es etwas ruhiger geworden um die Flüchtlingshilfe: Weil die europäischen Grenzen teilweise komplett geschlossen wurden, kommen heute nur noch sporadisch neue Flüchtlinge bei uns an. Viele Flüchtlinge „der ersten Stunde“ sind mittlerweile bei uns „angekommen“, haben Deutsch gelernt und sich eingelebt. Andere wurden abgeschoben oder sind, bevor es so weit kam, freiwillig in ihr Herkunftsland zurückgekehrt. Einige Menschen haben einen festen Platz in unserer Stadt gefunden, haben Arbeit, gehen zur Schule oder machen eine Ausbildung. Andere bleiben für sich. Eine neue Situation, die auch die Arbeit der Paten verändert und unter Umständen neue Herausforderungen bedeutet. Es geht mittlerweile immer mehr um die Hilfe bei der „normalen“ Alltagsbewältigung, um Familienzusammenführungen und um die Bemühung um nachhaltige Integration als um ein herzliches Willkommen, die Erstversorgung und einen ersten Sprachkurs.
Wir sprachen mit Susanne Michel. Frau Michel leitet als Ehrenamtlerin den Arbeitskreis Flüchtlingspaten in der Flüchtlingshilfe Wiehl. Am 12. April 2017 startete ihr Arbeitskreis eine Umfrage bei den Paten. Dafür hat sie einen Fragebogen vorbereitet und diesen an 120 Paten verschicken lassen, die sich seit 2015 in der Flüchtlingshilfe engagieren. Wir wollten von ihr wissen, wo die Flüchtlingshilfe heute steht, was der Hintergrund für die Fragebogenaktion war und welche Ergebnisse bei der Umfrage herauskamen.
Wo steht die Flüchtlingshilfe heute? Was ist geworden aus dem großen Engagement der Anfangszeit?
Susanne Michel: Von den seinerzeit etwa 100 bis 120 Paten kümmern sich derzeit noch etwa 60 bis 70 Paten aktiv um Flüchtlinge. Aus manchen Patenschaften wurden bereits Freundschaften, andere konnten ihre Familie mit einem guten Gefühl „loslassen“, ebenso gibt es Paten, die angesichts einer als übersteigert empfundenen Anforderungshaltung ihrer „Schützlinge“ enttäuscht aufgaben. Und natürlich gibt es weiterhin viel zu tun. Es kommen auch heute noch neue Flüchtlinge zu uns. B bei vielen ist der Aufenthaltsstatus noch nicht geklärt. Da müssen Wohnungen gesucht und Behördengänge begleitet werden.
Wie sind Sie darauf gekommen, eine Umfrage bei den Paten durchzuführen? Und was versprechen Sie sich von den Ergebnissen?
Susanne Michel: Auslöser war die Frage, wie wir unsere Paten noch besser unterstützen können. Dazu interesseierte uns, welche Wünsche die aktiven Ehrenamtler für ihre Arbeit haben, bzw. was ihnen dabei fehlt. Auf diese Frage erhofften wir uns insbesondere Antworten von ehemalige Paten, um zu erfahren, was sie dazu bewogen hat, ihr Engagement zu beenden.
Wie war die Resonanz auf die Fragebögen?
Susanne Michel: Innerhalb von 4 Wochen wurden 25 Fragebögen ausgefüllt und an uns zurückgesandt. Diese Quote von über 8% ist durchaus positiv und belegt das Interesse der angeschriebenen Personen an unserer Arbeit. Es erreichten uns viele konstruktive Verbesserungsvorschläge.
Welche Wünsche und Anregungen haben die Paten an Sie übermittelt?
Susanne Michel: Nahezu alle Teilnehmer an der Umfrage wünschen sich mehr persönlichen Kontakt zwischen Flüchtlingen und Wiehler Bürgern. Dies könne besonders gut über Sport-, Musik- und Kulturangebote geschehen. Ebenso wurde der Wunsch nach speziellen Ansprechpartnern für Schulfragen, Fahrdienste, Hilfe bei Arztbesuchen, intensiverer Arbeitsvermittlung und nach neutralen Übersetzern – die keine Flüchtlinge sind – laut.
Gab es auch negative Stimmen?
Wie zu erwarten, gab es auch negative Stimmen der Paten. Hier wird insbesondere die fehlende Motivation der Flüchtlinge, die „Ausnutzung“ des Sozialsystems, fehlende Lust an Praktika, Ausbildung und Arbeit kritisiert – mit geringster Anstrengung wolle man hier das Maximum an Hilfen erlangen (Minimalprinzip). Außerdem fehlt einigen ein konkreter Integrationsansatz der Stadt Wiehl. Auch mangelnde Kommunikation zwischen Stadt, Behörden und Ehrenamtlern wird als Problem benannt. Viele Paten sind mittlerweile auf Grund des extrem hohen Engagements müde und ausgepowert und wünschen sich mehr Unterstützung von professioneller Seite.
Was werden Sie mit den Erkenntnissen anfangen? Welche Möglichkeit haben Sie hier gestalterisch einzuwirken?
Susanne Michel: Ich möchte mich zunächst einmal bei allen bedanken, die sich aktiv an unserer Umfrage beteiligt haben und uns so helfen, mögliche Schwachstellen aufzudecken. Bestenfalls haben Sie so zur Verbesserung unserer Ehrenamtsarbeit beigetragen!
Wir werden uns mit den angesprochenen Problemen im Arbeitskreis auseinandersetzen und versuchen, Lösungen zu finden. Hierüber werden wir wieder informieren.
Vielen Dank für das Gespräch!!!